Der Tech-Konzern Apple hat mit cleverer Buchhaltung Steuern in Milliardenhöhe gespart, nun musste sich Vorstandschef Cook vor dem US-Senat verantworten. Doch mit seiner Mission Süßholz gelang es ihm, selbst kritische Senatoren um den Finger zu wickeln. Widerspruch? Zwecklos.
Senator John McCain freut sich, dass Apple-Vorstandschef Tim
Cook gerade vor ihm sitzt. Denn eine Frage brennt dem 76-jährigen
US-Republikaner dieser Tage ganz besonders auf den Nägeln: "Warum muss ich
die Apps auf meinem iPhone dauernd aktualisieren?"
Wissendes
Gelächter füllt den Sitzungssaal 106. Denn natürlich sind McCains private
Technikprobleme keineswegs der Grund, weshalb der Ermittlungsunterausschuss den
Boss eines der erfolgreichsten US-Konzerne am Dienstag unter Eid gestellt hat.
Aber wo Cook schon mal da ist - die Gelegenheit bietet sich wirklich an.
So ist der gesamte Tenor dieser Sitzung. Eigentlich soll es dabei um Apples
Steuertricks gehen, die der Ausschuss in einem detaillierten Bericht angeprangert hat.
Doch Cook, dem bisher eher ein Mangel an Charisma nachhing, schafft es mit
Charme und Chuzpe, das Sünderbänkchen, auf dem er sich plötzlich wiederfindet,
zur Werbeplattform zu machen.
Immer wieder erinnert er in seiner Aussage an die Hits seines Hauses:
iPhone, iPad, iPod, Mac. "Wir sind stolz darauf, ein amerikanisches
Unternehmen zu sein", postuliert er gleich mehrmals: "Wir haben nur
eine Mission - die allerbesten Produkte der Welt herzustellen."
Die Senatoren, eigentlich auf Angriff gepolt, lassen sich prompt um den
Finger wickeln. "Ich liebe Apple", gurrt die Demokratin Claire
McCaskill, "ich bin Apple." Ihre Republikaner-Kollegin Kelly Ayotte
begrüßt Cook derweil so: "Nett, Sie kennenzulernen. Ich habe ein
iPad."
Apple bestätigt Enthüllungen des Ausschusses
Es ist erstaunlich, wie schnell sich die Stimmung wendet, von einer
Verteufelung Apples als Steuerflüchtling hin zur kollektiven Verbeugung vor dem
kalifornischen Konzern. Andererseits wenig überraschend: Kaum ein Unternehmen
wird so gerne angefeindet wie Apple - und ist doch so unverzichtbar. Und genau
das offenbart sich nun auch im Senat.
Cook spricht deutlich und langsam, als seien die Senatoren kleine Kinder,
denen er die Welt erklärt. Allein in den USA, sagt er, habe Apple
Hunderttausende Arbeitsplätze geschaffen, habe dieses Jahr bereits 100
Millionen Dollar investiert und sei der fleißigste Steuerzahler überhaupt, mit
sechs Milliarden Dollar im Jahr 2012, bei einem Steuersatz von zuletzt 30,5
Prozent. Die Enthüllungen des Ausschusses fallen dabei schnell unter den Tisch. Ja,
Apple hat zweistellige Milliardensummen bei drei Tochterfirmen in Irland
geparkt. Ja, der Konzern hat darauf in den vergangenen fünf Jahren weder in den
USA noch in Irland Steuern gezahlt oder höchstens zwei Prozent. Und ja, das ging
alles strikt nach den Buchstaben des Gesetzes zu.
Zwar versucht der Ausschussvorsitzende, der demokratische Senator Carl
Levin, ab und zu doch, Cook und seine Kollegen - Finanzchef Peter Oppenheimer
und Steuerchef Phillip Bullock - auf ein moralisches Fehlverhalten
festzunageln: Irland sei eine "Steueroase", und Apple betreibe
fiskalische "Alchemie". Doch da haben die meisten längst abgeschaltet,
um wieder auf ihren iPads herumzuspielen.
Senatoren sind handzahme Apple-Jünger
Dabei war die politische Empörung fast programmiert. Rund 74 Milliarden
Dollar steuerpflichtige Einnahmen hat Apple in den vergangenen fünf Jahren nach
Irland ausgelagert, so der Ausschuss in seinem vorab lancierten Bericht - über
drei irische Tochterfirmen, die fast gar keine Steuern zahlen. Legal? Ja. Fair?
Das ist die Frage.
"Ich bin nicht unfair", beharrt Cook. "Wir zahlen alle
Steuern, die wir schulden, jeden Dollar." Und: "Wir stützen uns nicht
auf Steuertricks." Und dann, er kann es sich wohl nicht verkneifen:
"Wir bunkern kein Bargeld auf irgendeiner karibischen Insel." Natürlich
nicht, Irland ist schließlich eine Insel im Nordatlantik. Will heißen: Alles, was wir tun, ist korrekt - wenn wir es anders tun
sollen, müssen Sie die Gesetze ändern. "Leider hat das Steuerrecht nicht
mit dem digitalen Zeitalter mitgehalten", sagt Cook. Unter jetzigen Regeln
sei es einfach zu teuer, den Auslandsumsatz zurückzuführen. "Wir empfehlen
eine dramatische Vereinfachung des Körperschaftssteuerrechts."
Cook dürfte aber gut wissen, dass der jetzige, hoffnungslos zerstrittene
Kongress sich auf ein solches Mega-Unterfangen kaum wird einigen können. Cooks
Süßholz-Offensive kommt nicht von ungefähr: Er hat sich dabei nach
Informationen der Website "Politico" von der Washingtoner Top-Kanzlei
O'Melveny & Myers coachen lassen. Die hat mit ihren Kongress-Connections
schon andere Konzerne aus der PR-Klemme bugsiert, etwa Enron und Goldman Sachs. Zugleich macht Cook kräftig Eigenwerbung. Apple-Kunden, prahlt er, könnten
sich ihr Leben ohne Apple "gar nicht mehr vorstellen". Wozu offenbar
auch viele Senatoren gehören. Zum Beispiel der Tea-Party-Republikaner Rand
Paul: "Wenn du Apple bestrafst, bestrafst du nur dich selbst",
sinniert der: "Wir sind Apple." Selbst McCain, der Apple vorab als "einen der größten
Steuervermeider" verurteilt hatte, bleibt handzahm: "Mr. Cook, ich möchte
Ihnen zu Ihrem Erfolg und dem von Apple gratulieren", sagt er. "Sie
haben es geschafft, die Welt zu verändern." Die Welt - und jetzt den
US-Senat, irgendwie.
Quelle: Spiegel Online Wirtschaft, 22.05.2013
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