Ein Selfie mit schwerwiegenden Folgen
„Wir sind in einem
Zeitalter angekommen, in dem ein Selfie ein Menschenleben verändern kann“, weiß
Kommunikationsexperte Michael Oehme und bezieht sich auf einen Fall, in dem der
19-Jährige Syrer Anas Modamani ein Selfie mit Bundeskanzlerin Angela
Merkel gemacht hat. Die Folgereaktionen, mit denen der junge Mann anschließend
konfrontiert wird, sind fatal: „Plötzlich stand er im Rampenlicht und zwar
zunächst im negativen Sinne: Er wurde im Netz als Terrorist beschimpft, was vor
Gericht als Rufmord gilt und auch jetzt dient sein Foto rechtem Gesindel in den
sozialen Netzwerken immer wieder als Grundlage für Hetze und Verleumdung“,
kritisiert Michael Oehme. Anas Modamani
selbst zieht nun vor Gericht. „Die Leute sollen damit aufhören“, wünscht er
sich. Die Nachricht von Modamanis Rechtsstreit mit Facebook sorgt weltweit für
Schlagzeilen. „Hier kommen viele wunde und emotionale Punkte zusammen“, weiß
Kommunikationsberater Oehme aus seiner eigenen Branche. „Es geht um Merkel und
ihre Flüchtlingspolitik, über Hasswellen in sozialen Netzwerken und darum, dass
Rechtspopulismus wieder gesellschaftsfähig geworden ist“, erklärt Oehme.
Unterdessen reißen
sich Reporter aus Kanada, England und vielen anderen Ländern um ein Interview
mit dem Syrer. Nach der öffentlichen Verleumdung musste er sich tagelang bei
einem Freund verstecken, weil er als Gewalttäter und Terrorist bezeichnet wurde
und plötzlich mit diversen medial diskutierten Verbrechen in Verbindung
gebracht wurde, später wurde er zum Polittalk von „Maybrit
Illner“ eingeladen und erschien auf dem Cover des „Stern“-Jahresrückblicks. „Im
Grunde genommen ist es traurig, dass der junge Mensch durch diese verwerflichen
Verhaltensweisen anderer Aufmerksamkeit erlangt“, so Michale Oehme. Anlässlich
des Terroranschlags in Berlin am 19.Dezember wurde das Foto zuletzt missbraucht
– inklusive der Headline „Merkels Tote“. Ein weiteres Paradebeispiel für das
vielseitig diskutierte Thema „Fake News”. Doch neben dem „Merkel-Selfie“ gibt
es noch so viel mehr über den Syrer zu berichten: Geflüchtet aus Daraja, südlich
von Damaskus, mittlerweile ein einzigartiges Trümmerfeld, kam er vor anderthalb
Jahren nach Deutschland und wurde bei Gasteltern aufgenommen. Seither lernt er
täglich Deutsch, befindet sich bereits auf C1-Niveau. „Das bedeutet, dass er
sich zum nächsten Semester für ein deutschsprachiges Studium bewerben kann“, so
Michael Oehme.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen